Page 14 - Haseldorfer Nachrichten Deamber 2020
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Hoseldörper Norichten · Ausgabe Dezember 2020 Infos
Ein Leben mit dem Tod: Warum wir Bestatter sind
Mit Jule Schmölcke, 25 Jah- euch mit Skepsis oder Zurück- er individuell und auch der Tod. benen und wird auch so gestal-
re, Bestattungsfachkraft, seit 3 haltung aufgrund eures Alters Alles ändert sich. Auch unsere tet. Wir sind Dienstleister und
Jahren als Bestatterin tätig und begegnet wird? Branche ist ständig im Wandel. quasi Eventmanager der Toten.
Tobias Fay, 30 Jahre, Fachkraft J: In Beratungen oder Vorsorge- So gibt es neue Beisetzungsar- Zum Schluss möchte ich noch
für Hygienenische Versorgung, terminen sprechen mich Ange- ten oder Designs der Urnen und gerne wissen, wie Ihr mit den
seit 5 Jahren als Bestatter tätig. hörige ab und zu auf mein Al- Särge. Alles wird individueller. verschiedensten Situationen im
Seit 2003 ist der Beruf des ter an. Aber eher aus Interesse. Aber auch alte Traditionen be- Laufe eures Arbeitstages
Bestatters ein Ausbildungs- Das Feedback ist positiv. Vie- gegnen uns und diese setze ich umgeht?
beruf im Handwerk. Fangen le finden es gut, dass eine neue genauso gerne um. Die Bewäl- J: Generell gilt für uns Bestat-
wir mit der klassischen Fra- Generation mit neuem Wissen tigung der Trauer beginnt schon ter: Dienst den Lebenden, Eh-
ge an: Wie seit ihr zur Arbeit und neuen Einstellungen in der mit einem würdevollen und den ren den Toten. Wir stehen un-
in der Bestattungsbranche ge- Branche nachrückt. Oft führt Verstorbenen angemessenem letz- terstützend zur Seite aber ich
kommen? der Generationenunterschied ten Weg. Ich bin immer bemüht halte mich emotional im Hin-
J: Wir sind sowohl Seelsorger zu interessanten Gesprächen. über neue Wege zu sprechen und tergrund. Wenn ich selbst auf
als auch Handwerker. In der Weniger das Alter, sondern ei- diese auch mit den alten Tradi- Trauerfeiern weinen würde,
Beratung oder während einer ne aufgeschlossene persönliche tionen zu verbinden. So habe wäre ich keine Unterstützung.
Trauerfeier unterstütze ich An- Einstellung ist wichtig. ich zum Beispiel eine Trauerfei- Aber natürlich nehme ich die
gehörige und Trauernde. Hinter T: Ich habe nicht das Gefühl, er begleitet, bei der das Motor- Gefühle der Anwesenden wahr
den Kulissen wird aber auch dass mir jemand mit Zurückhal- rad eines Verstorbenen vor dem und gehe auf sie ein. Bei locke-
viel Handwerkliches gearbeitet: tung begegnet. Grundsätzlich Altar geparkt wurde, seine Ur- rer Stimmung darf auch ich et-
Särge ausgeschlagen oder De- muss ein Bestatter Feingefühl ne auf der Sitzbank stand und was lachen. Wie Herr Fay ge-
koration herstellen, einige Kol- besitzen, verständnisvoll und der Pastor davor seine Trauer- sagt hat, begegnet uns am En-
legen heben sogar Gräber aus. emphatisch sein. Mit meinem rede gehalten hat. de des Tages viel Dankbarkeit
Genau das hat mich damals an Alter hat das nichts zu tun. Egal T: Viele Angehörige haben ge- und das steht für mich im Vor-
diesem Beruf interessiert. ob ein Angehörige oder Trauer- naue Vorstellungen. Das kann dergrund.
T: Mit 14 Jahren musste ich, gast viel älter ist als ich, genau- die „Altmodische Eichentru- T: Es ist ein sehr dankbarer Be-
aufgrund eines Suizids in der so alt oder jünger, kann ich ih- he“ sein oder ein pink-farbe- ruf, aber es gibt auch Schattensei-
Familie, meine ersten Erfah- nen zur Seite stehen. Trauer ist ner Sarg. Wir geben aber auch ten grade einen plötzlichen Tod
rungen mit einem Bestatter ma- immer sehr individuell und je- Tipps und Hinweise: zum Text oder gar der Tod eines Kindes.
chen: Ein unscheinbarer Mann der Mensch reagiert in diesen auf der Schleife oder zur Deko- Das kann sehr nah gehen, aber
im schwarzen Anzug, der mei- Moment anders. Teilweise sind ration mit persönlichen Dingen. das ist eben menschlich. Ein Be-
ne Familie quasi an die Hand die Angehörigen froh, wenn ich Oft werde ich gefragt, welche statter muss seine Grenzen in
genommen hat und uns durch wieder aus dem Haus bin. Teil- Musik passt oder ich bitte An- diesem Beruf kennen und ler-
diese Situation geleitet hat. Ich weise besteht Redebedarf oder gehörige ihren Musikwunsch nen zu sagen: „Nein, geht nicht“.
war beeindruckt. Später merk- Interessensfragen werden geklärt. wie „Highway to hell“ zu über- Meine Grenzen sind z.B. Freun-
te ich, dass grade seine Arbeit Wie verändert sich die Bestat- denken. So vermischen sich al- de und Verwandte. Mein priva-
mir unheimlich viel geholfen tungskultur? Sind Tradition te und neue Vorstellungen der ter Ausgleich ist das Renovie-
hat das Erlebte zu verarbeiten. und Moderne vereinbar? Generationen. Die Trauerfeier ren auf unserem Hof oder die
Habt Ihr das Gefühl, dass J: Wie jedes Leben ist jede Trau- ist aber immer für den Verstor- Fotografie.
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