Page 30 - Hetlinger Bote April 2021
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Hetlinger Bote · Ausgabe 45 · März 2021 Infos
Corona-Hunde – leider keine lustige Nebenwirkung dieser Pandemie
Seit einem Jahr leben wir in vieler tiere und können ihr Leben lang
Hinsicht in einer besonderen Zeit – ein absolut toller Begleiter sein –
unser Leben hat sich in den meisten loyal und immer ehrlich im Um-
Bereichen in einer Art verändert, gang. Um sich dazu zu entwickeln,
wie wir es alle noch nicht erlebt ha- brauchen sie die Hilfe ihrer Men-
ben. Besondere Zeiten bringen be- schen, denn sie müssen in einer
sondere und auch besonders seltsa- Menschenwelt zurechtkommen
me Verhaltensweisen an den Tag. und die Regeln dieser Welt sind
Hierzu zählt aus meiner Sicht auch ihnen nicht bekannt. Tauscht euch
die massenhafte Entscheidung für mit anderen Hundehaltern aus, holt
die Anschaffung eines Hundes zu euch möglichst schnell professio-
diesem Zeitpunkt. Ich haben ge- nelle Hilfe, wenn es zu Proble-
lesen, dass im Jahr 2020 die An- gelware zu sein. Und nur, weil man Züchter und Abgabe in Tierheimen men kommt. Wartet nicht, bis der
schaffung von Hunden in Deutsch- aktuell durch die Arbeit im Home- hat schon begonnen. Hund erwachsen und die Proble-
land um 20 % (!) im Gegensatz Office Zeit für einen Hund zu ha- me dann auch ausgewachsen sind!
zum Vorjahr gestiegen ist! Das ist ben glaubt (was eben auch nicht Spätestens wenn wieder verreist Während ich diesen Text schreibe,
eine unfassbare Steigerung und ich unbedingt stimmt), ist ja zu be- werden darf, werden sich die Ka- sind wir Hundeschulen seit Mitte
befürchte, es ist in vielen Fällen denken, wie das Leben mit Hund tastrophen häufen. Dezember im Lockdown, was die
eine Entscheidung, die nach kurzer aussehen soll, wenn die Kinder Ich möchte glauben, dass die meis- Sache nicht einfacher macht, denn
(manchmal auch schon nach sehr wieder lange Zeit in der Schule, ten neuen Hundehalter gutgläubig wir können zur Zeit nur sehr ein-
kurzer) Zeit bereut wird. Nur ist beim Sport und bei Freunden ver- und mit bester Absicht einen Vier- geschränkt helfen – aber wir ver-
ein Hund ein soziales Lebewesen, bringen und die Eltern oft wieder beiner ins Haus geholt haben. Ich suchen, so gut es geht zu unterstüt-
dass uns 10 – 15 Jahre begleiten ganztags „auswärts“ arbeiten. Ein erfahre aber leider jeden Tag in zen. Ich hoffe, dass sich diese Si-
sollte und kein Spielzeug, dass bei Hund ist ein hochsoziales Lebewe- zahlreichen Gesprächen, dass sehr tuation bald ändert, denn wir ar-
Nichtgefallen oder einer „Funkti- sen, das intensiven Kontakt zu „sei- viele mit dem neuen Hund überfor- beiten draußen und können pro-
onsstörung“ umgetauscht oder ent- ner“ Menschenfamilie braucht und dert sind. Einen Hund zu erziehen blemlos Abstands- und Hygiene-
sorgt werden kann bzw. SOLLTE. nicht locker jeden Tag 8-9 Stunden und sowohl seine Bedürfnisse als regeln einhalten. Und wenn dann
hoffentlich irgendwann wieder ein
Wir sind in unseren Aktivitäten alleine zu Hause hocken darf! Das auch die Bedürfnisse der Familie normales Leben möglich ist, lasst
stark eingeschränkt, sitzen im Ho- ist aus meiner Sicht unfair und tier- unter einen Hut zu bringen, läuft euren Hund bitte nicht einfach 8
me-Office, die Kinder lernen zu schutzrelevant, das ist Leben in ei- in den meisten Fällen nicht einfach oder mehr Stunden allein zu Hau-
Hause, es gibt kaum Abwechslung. ner dauerhaften Isolation, wie wir so „nebenbei“. Gerade Hunde aus se. Hunde brauchen Gesellschaft
Ich kann verstehen, dass das ohne sie im Fall einer Quarantäne kaum dem Tierschutz, die oft schon ein und ihre soziale Gruppe. Es gibt
Ende nervt, Langeweile und in ver- für 10 Tage ertragen! (unbekanntes) Päckchen mit sich viele Möglichkeiten, das Allein-
schiedenster Art Stress erzeugen Züchter bekommen bis zu 600 herumtragen, brauchen Geduld, bleiben zu verringern. Es gibt Dog-
kann. ABER: ein Hund ist für die- Anfragen pro Welpe, die Tierhei- Zeit, Zuneigung, klare Struktu- walkerInnen, die den Hund zum
se Probleme KEINE Lösung und me sind leergefegt sind, der illega- ren und einfach auch umfangrei- Spazieren gehen abholen, es gibt
ches Wissen, um im neuen Leben
das sollte eigentlich nicht schwer le Welpenhandel mit viel zu jun- professionelle Hundebetreuungen
nachzuvollziehen sein. Ob Welpe gen und oft schwer kranken Hun- klarzukommen. an vielen Orten. Das ersetzt nicht
oder junger/erwachsener Hund debabys boomt wie nie und in gro- Nun sind wir seit vielen Mona- den engen Kontakt zur „eigenen“
„aus zweiter Hand“ – die ersten ßen Mengen werden Hunde aus ten in dieser Situation und tausen- Menschenfamilie, hilft aber, den
Monate sind einfach super an- dem Ausland herangeschafft. Da de Hunde sind jetzt schon hier an- Arbeitstag des Menschen zu über-
strengend, erfordern intensive Be- frage ich mich ernsthaft, wie so et- gekommen, deshalb möchte ich an brücken. Der Hund hat Kontakt zu
treuung und damit Zeit, Geduld was geschehen kann und wie es dieser Stelle eine ganz große Bit- Artgenossen und geschulte Betreu-
und starke Nerven. Gerade Letzte- wohl in einem halben Jahr aussieht. te an die neuen Hundehalter aus- erInnen, die eine Hundegruppe gut
res scheint in dieser Zeit eher Man- Die erste Welle an Rückgaben an sprechen: beaufsichtigen und führen können.
Der Hund hat sich ein Leben an Ich hoffe, ihr nehmt mir diese „Pre-
eurer Seite NICHT ausgesucht, ihr digt“ nicht allzu übel, aber es ist so
habt ihn zu euch geholt und da- schade um jedes mögliche Mensch-
mit habt ihr die Verantwortung Hund- Team, wenn es scheitert und
für sein Leben übernommen. Das die Hunde bezahlen dabei den
ist vielleicht nicht Jedem in diesem höchsten Preis.
Ausmaß bewusst gewesen, aber Bleibt alle gesund, liebe Grüße
es ist jetzt so! Bitte steht zu eu- und alles Gute wünschen Susan-
rer Entscheidung und übernehmt ne Gerlach mit Joy, Abby und Met-
diese Verantwortung! Hunde sind te (und Emma und Lucy, die uns
nicht umsonst die ältesten Haus- ganz bestimmt genau beobachten)
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